Influencer

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Chancen und Gefahren des Influencer-Marketings.

Inhalt

Influencer sind seit Jahren auf dem Vormarsch, aber ihre Glaubwürdigkeit und ihre Werbewirkung sind selbst unter Marketingexperten umstritten. Was in der Generation Z heute als Traumberuf gilt, löst bei der Generation X nur ein müdes Schulterzucken aus.

Aber sind Influencer nun glaubwürdige Markenbotschafter, oder wird dieser Kanal völlig überbewertet?

Nutzung der sozialen Medien

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, müssen wir zuerst die Nutzung der Sozialen Medien genauer anschauen.

Gemäss einer aktuellen Studie von [m]Science, die Ende 2019 in Deutschland durchgeführt wurde, sind die regelmässigen Nutzer (mind. 1x pro Woche) auf den meisten Plattformen eher bis stark rückläufig. Einzige Ausnahmen bilden Twitter mit einem kleinen Zuwachs von 2% und Instagram mit einer Zunahme um 8%.

Bekanntheit und Nutzung Sozialer Netzwerke in Deutschland
Quelle: [m]Science, Spotlight Influencer 4.0

Vor allem die jüngeren Nutzer wandern von Facebook zu Instagram ab. Mit einer Nutzung von 74% und einem gestützten Bekanntheitsgrad von 96% zählt Facebook neben YouTube jedoch nach wie vor zu den wichtigsten Online-Kanälen in Deutschland.

Gut ein Drittel der Befragten hat angegeben, dass sie sich über soziale Netzwerke informieren, wenn sie Interesse an einem Produkt haben. Dabei suchen aber nur 9% gezielt nach Produktinformationen in Posts von Influencern, wobei Frauen hierfür etwas affiner sind als Männer.

Trotzdem folgen bei den 30 – 39-jährigen rund 34% regelmässig einem oder mehreren Influencern. Bei den 14 – 29-jährigen sind es sogar 54% der Befragten, welche die Inhalte von bestimmten Influencern verfolgen.

Die Influencer

Glaubwürdigkeit

In der Wahrnehmung werden Influencer von den Nutzern zunehmend mit einer kommerziellen Rolle verbunden. Über die Hälfte der befragten Personen definieren einen Influencer als eine Person, die mittels sozialer Medien Geld verdient, z.B. durch Produktwerbung und bezahlte Tests, Sponsorings und ähnliche Auftragsarbeiten.

Dadurch leidet die Glaubwürdigkeit der gesamten Berufsgattung. Nur 19% der Befragten stufen Influencer als glaubwürdig ein. Ein Jahr zuvor lag der Wert immerhin noch bei 23%.

Glaubwürdigkeit von Influencer
Quelle: [m]Science, Spotlight Influencer 4.0

Mögliche Ursachen für diesen Vertrauensverlust sind wahrscheinlich bei der zunehmenden Verbreitung von Influencerwerbung zu suchen. Konsumenten haben realisiert, dass es sich bei Produktplatzierungen sehr oft um bezahlte Werbung handelt. Einigen Influencern fehlt es dabei an der nötigen Zurückhaltung. Sie werben viel zu oft, kennzeichnen ihre Beiträge nicht als Werbung, oder versuchen umfangreiche Leistungen gegen eine positive Darstellung in ihren Kanälen zu verlangen. Ein Hotel in Dublin wurde beispielsweise von einer Influencerin um fünf Übernachtungen für zwei Personen gebeten, damit sie das Hotel in ihren Kanälen empfiehlt.

Über diese Praxis wurde in den Medien immer wieder berichtet und die teilweise dreisten Forderungen von Influencern kritisiert. Zu Recht wie ich finde.

Es gibt Influencer, die fast ausschliesslich gesponserte Inhalte in ihrem Feed veröffentlichen. Das kratzt an der Glaubwürdigkeit und der Werbewirkung einer entsprechenden Platzierung. Der User fragt sich logischerweise, ob diese Empfehlungen überhaupt noch die Meinung des Influencers wiederspiegelt oder ob es nur ums Geld geht.

Gif of Monty Python spam sketch

Glaubwürdige Influencer zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich selbst und ihrer Meinung treu bleiben. Sie platzieren (wenn überhaupt) nur ab und zu mal Werbung in einem Post. Und wenn sie das tun, dann ist diese Werbung sichtbar gekennzeichnet.

Ein guter Influencer vermittelt nicht das Gefühl, dass es ihm ums Geld geht. Er lässt die Follower an seinem Leben teilhaben und vermittelt wertvolle Inhalte zu seinen Themen und Fachgebieten.

Rund ein Drittel der Nicht-Follower, würden sich von Influencern vor allem Inhalte und Produktempfehlungen wünschen, die im eigenen Alltag nützlich sind. Für 23% ist es dabei auch wichtig, dass die gezeigten Produkte glaubhaft in den Alltag der Influencer passen.

Anzahl Follower

Kleine, sogenannte Micro-Influencer, sind in dieser Disziplin meist viel besser als ihre Kollegen mit tausenden von Followern. Denn Micro-Influencer betreiben ihre Kanäle aus echtem Eigeninteresse am Thema und nicht in erster Linie, um davon zu leben. Die meisten von ihnen gehen nebenbei einem «echten» Job nach und betreiben ihr Influencer-Dasein als Hobby. Der positive Nebeneffekt für Werbetreibende liegt nebst der hohen Glaubwürdigkeit hier auch im Preis. Für einen Werbepost eines Micro-Influencers bezahlt man deutlich weniger als für einen Post von Roger Federer.

Mit der Zahl der Follower kann auch das Risiko des Streuverlustes steigen. Gerade Prominente mit internationaler Ausstrahlung haben meistens auch sehr viele Follower aus dem Ausland. Ein Geotargeting ist bei diesen organischen Social Media Posts in der Regel nicht möglich, darum muss man einen hohen Preis für «alle» Follower bezahlen, auch wenn man nur die Schweiz bewerben will.

Bei grossen Accounts steigt zudem auch das Risiko von Fake-Follower. Sei es durch Bots oder durch Follower, die vom Influencer selbst eingekauft wurden und seine Reichweite bzw. seinen Marktwert steigern sollen.

makeup

Kauf und Aktivierung

Es gibt aber durchaus genügend Erfolgsgeschichten, die beweisen, dass Influencer-Marketing funktionieren kann.

Jeder zweite Follower gibt an, dass er mindestens einmal durch einen Influencer zum Kauf eines Angebots angeregt wurde. Am besten funktioniert das bei Produkten, die einen kurzen Kaufentscheidungsprozess haben, z.B. in den Bereichen Beauty, Food oder Mode.

Während vor einem Jahr noch vornehmlich jüngere Zielgruppen auf gesponserte Posts angesprungen sind, gibt euch heute kaum noch einen Unterschied zwischen den Altersgruppen.

Das Aktivierungspotential durch Influencer ist jedoch insgesamt rückläufig. Trotzdem ist noch fast jeder Zweite bereit, sich über ein «platziertes» Produkt zu informieren, wozu meist auch ein Besuch der Produkt-Webseite gehört.

Fazit

  • Influencer werden heute vermehrt in ihrer Funktion als Werbeträger wahrgenommen. Das hat zur Folge, dass auch Produktempfehlungen durch diese Werbeträger langsam ihre Unschuld verlieren und von vielen Nutzern als bezahlte Inhalte erkannt werden.
  • Dreiste Geschäftspraktiken von einzelnen Influencern färben auf die ganze Branche ab, was ihre Glaubwürdigkeit als Werbeträger zusätzlich unterwandert.
  • Wer bisher noch keinem Influencer folgt, sieht wenig Gründe, dies zu ändern. Tipps, Glaubwürdigkeit und Authentizität motivieren die User am stärksten zu einem «Follow».
  • Influencer-Kampagnen können aber durchaus auch funktionieren. Vor allem wenn es dabei um ein Produkt aus Beauty, Food oder Mode geht und sich die Kampagne an Frauen zwischen 18 und 39 richtet.
  • Bevor Sie jedoch eine Partnerschaft eingehen, sollten Sie sich die Posts des Influencers genauer anschauen. Ist ihr künftiger Partner authentisch? Bieten seine Posts einen Mehrwert für die User?
  • Am besten lassen Sie sich auch von einer Influencer-Agentur den Schweizer Anteil der Follower angeben, zusammen mit einer Bestätigung, dass diese nicht künstlich eingekauft wurden. Viele Follower sind längst kein automatisches Gütesiegel.
  • Eine spezialisierte Agentur übernimmt normalerweise auch das ganze Vertragswesen und hat im besten Fall bereits Erfahrungswerte in der Zusammenarbeit mit einem bestimmten Influencer gesammelt.
  • Wollen Sie ein Produkt ausserhalb von Beauty, Food oder Mode bewerben, dann halten Sie am besten Ausschau nach Micro-Influencern, die sich mit Fachthemen rund um ihr Produkt befassen. Diese sind günstiger und authentischer – und ganz nebenbei auch dankbarer für einen Auftrag als die Stars der Branche.

Ich persönlich bin kein Fan von Influencer-Kampagnen. Nach meiner Erfahrung bieten sie selten den gleichen oder gar einen besseren ROI im Vergleich zu «klassischer» Werbung auf den sozialen Plattformen. Am Ende ist die Zusammenarbeit mit einem Influencer auch Frage der Haltung und der eigenen Positionierung, die jede Marke für sich klären muss.